Virtuelle Kalkulation der Schichtdicken
20.11.2020
Digitaler Zwilling simuliert Schichtdicken direkt in der Lackierkabine
Gleichmäßige Schichtdicken sind in der industriellen Autolackierung ein wichtiger Qualitätsfaktor. Bisher sind bei der Einführung neuer Modelle zahlreiche Testläufe erforderlich, bis die Lackierergebnisse perfekt sind. Mit der neu entwickelten Software hat Dürr eine Möglichkeit geschaffen, die Schichtdicken virtuell zu bestimmen und die realen Test auf ein Minimum zu reduzieren. Die neue Software wird in die bereits existierenden Programme unserer Lackierroboter integriert. Erste Beta-Versionen sind bereits im Einsatz.
Werden neue Modelle in einer Lackiererei eingeführt, müssen die Prozesse neu eingestellt und die Parameter in den Lackiervorgänge angepasst werden. Hierzu sind in der Regel eine Vielzahl an Tests notwendig bis die Lackierqualität optimiert sind und die Schichtdicken an jeder Stelle der Karosserie die erforderlichen Werte aufweisen. Diese Tests sind zeitaufwändig und deshalbkostspielig und nicht gerade umweltfreundlich. Mit dem neuen Simulations-Tool von Dürr können Hersteller die Prozesse nun virtuell modellieren und optimieren.
In der Realität ist es daher möglich, die Anzahl der Testlackierungen auf wenige Versuche und die Anzahl der Testkarosserien um mehr als 50 Prozent zu reduzieren. Das macht Inbetriebnahmen effizienter, senkt die Materialkosten und führt zu weniger fehlbeschichteten Karosserien“, erklärt Dr. Lars Friedrich, President & CEO Application Technology der Dürr Systems AG.
Die Simulation des Lackierprozesses ist einer von vielen wichtigen Bausteinen auf dem Weg zur vollständig digitalisierten Lackiererei. Computerunterstützte Produkt- und Prozessentwicklungen machen den Lackiervorgang wirtschaftlicher. Simulationen unterstützen dabei, noch bevor die ersten Fahrzeug-Prototypen überhaupt in die Produktion kommen. Mit qualifizierten Berechnungen untersuchen sie, wo eventuell Probleme auftreten könnten und zeigen Lösungen schon vor dem Produktionsprozess auf. Besonders anspruchsvolle Stellen, wie beispielsweise Stöße am Kofferraum, können so viel präziser berechnet werden als mit traditionellen Testverfahren.
Das neue DXQ3D.onsite basiert auf drei Schritten. Im ersten Schritt wird virtuell berechnet, wie viel Lack an jeder Stelle aufgetragen wird. Die Software simuliert dabei ausschließlich mit idealisierten, virtuellen Spritzbildern, die sich eng an reale Gegebenheiten anlehnen. Die Spritzbilder sind dynamisch in der Höhe und mit unterschiedlichen Breiten skalierbar. Der Nutzer kann mit diesen beiden Parametern „spielen“, um zu simulieren, wie sich unterschiedliche Spritzbilder auf die Schichtdickenverteilung auswirken.
In der Digital Factory von Dürr, einem abteilungsübergreifenden Software-Kompetenz-Zentrum, arbeiten rund 100 Experten an innovativen und maßgeschneiderten Lösungen zur Bedienung, Analyse und Steuerung der Anlagen: Erfahren Sie mehr über unsere →DXQ Softwareprodukte.
Um die Realität vorab am Computer abzubilden, erstellt das Softwaremodul einen digitalen Zwilling von allen entscheidenden Einzelkomponenten in Form elektronischer Daten. Bei der ersten Simulation erstellt das Tool ein eigenes 3D-Dateiformat der Karosserie. Da dabei nur die für die Simulation notwendigen Informationen verarbeitet werden, spart es viel Speicherplatz. So kann das Programm auch direkt in der Lackierkabine auf einem Laptop genutzt werden. Das Modul hat außerdem sehr kurze Rechenzeiten, die es ermöglichen die Simulation der Lackschichten von ganzen Karosserien auf einem konventionellem PC und nicht auf einem Großrechner zu simulieren.
Das macht es einfach, Farbschichtdicken qualitativ zu bewerten, Beschichtungsergebnisse besser zu interpretieren und neuralgische Zonen mit uneinheitlichen Schichtdicken zu optimieren“, fasst Frank Herre, Leiter Entwicklung Applikationsprozesse bei der Dürr Systems AG, die Vorteile zusammen.
Werden alle relevanten Daten final zusammengeführt, entsteht ein virtuelles Spritzbild entlang der offsite-programmierten Roboterbahnen. Es summiert die Schichtdicken auf und stellt diese in einer 3D-Farbkarte dar. So können verschiedene Optimierungslösungen transparent visualisiert, in Teamarbeit abgewogen und verbessert werden.
Das Konzept der Prozesssimulation sieht als nächsten Schritt einen realen Test im Dürr-Labor vor. Die Software berücksichtigt keine spezifischen Lacke bei der Simulation. Die vom Kunden ausgewählten Lackmaterialien werden daher im Real-Test bei Dürr verwendet.
Im letzten Schritt werden die virtuellen Parameter und die Ergebnisse aus den Tests im Labor in Parameter für den Lackzerstäuber übersetzt. Die erste reale Testlackierung einer Karosserie erfolgt dann mit diesem voroptimierten Parametersatz.